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Machen Sie sich einen Reim drauf

Gedichte sind Futter für die Seele. Und wärmen gerade zu Weihnachten so richtig schön von innen.

Die passende Auswahl: Suchen Sie sich zunächst einen Text aus, den Sie mögen. Ein Gedicht aus Ihrer Kindheit, eines, das Sie oft gehört haben, das Sie berührt, das Ihnen Freude bereitet, über das Sie lachen können … Nehmen Sie sich Zeit für die Auswahl! Es sollte Sie in Ihrem Innersten ansprechen.

So gelingt das Vortragen:

  1. Bringen Sie sich in eine stabile, aufgerichtete Position und lesen Sie das Gedicht einige Male: zunächst leise, dann etwas lauter. So werden Sie mit dem Text vertraut und stellen sicher, dass aus einem entsprungenen Ros´ kein Ross wird …
  2. Sprechen Sie nun jeden Laut ganz bewusst. Falls Wörter mit besonders vielen Konsonanten oder hartnäckigen Konsonantenverbindungen dabei sind: Stellen Sie sich vor, Sie würden jeden Konsonanten während des Sprechens einzeln abschmecken. Gerade so, als wären W’s, L’s oder K’s wundervoll frische, süße Früchte – etwa Litschis – die eine Geschmacksexplosion nach der anderen auslösen. Verkosten Sie munter drauf los!
  3. Spielen Sie während des Lesens mit unterschiedlichen Stimmungen. Je variantenreicher, umso besser.
  4. Probieren Sie auch gegenteilige Stimmungen aus: Wenn eine Textpassage besonders heiter ist, probieren Sie, diese mit getragenem oder traurigem Duktus zu lesen. Die führt oft zu noch mehr Tiefe im Vortrag.
  5. Wenn Sie sich nicht nur auf Ihren Text, sondern auch auf Ihr (gedachtes) Gegenüber einstellen, hört man Ihnen aufmerksamer zu.
  6. Starten Sie Ihren Vortrag erst, wenn alle Aufmerksamkeit auf Ihnen ruht. Auch wenn es eine Herausforderung ist: Es lohnt sich.
  7. Noch ist kein Meister je vom Himmel gefallen, wie wir wissen. Doch vielleicht erwacht ja auch in Ihnen ein richtiger Lyrik-Liebhaber.

Übrigens: Je klarer Sie die Szenen aus dem Text visualisieren, je besser es Ihnen gelingt, tiefe Emotionen aus sich herauszulocken, umso intensiver und vielseitiger wird Ihr Stimm- und Sprechausdruck.

Geht gleich los! Bereit? Wir haben für Sie zwei Gedichte herausgesucht. Natürlich gefallen uns jene am besten, in denen Atmen und Singen vorkommt.

Die hohen Tannen atmen

Die hohen Tannen atmen heiser
im Winterschnee, und bauschiger
schmiegt sich sein Glanz um alle Reiser.

Die weißen Wege werden leiser,
die trauten Stuben lauschiger.
Da singt die Uhr, die Kinder zittern:

Im grünen Ofen kracht ein Scheit

und stürzt in lichten Lohgewittern, –
und draußen wächst im Flocken
flittern
der weiße Tag zur Ewigkeit.
   Rainer Maria Rilke 

Weihnachten



Markt und Straßen stehn verlassen,

Still erleuchtet jedes Haus,
Sinnend geh ich durch die Gassen,
Alles sieht so festlich aus.

An den Fenstern haben Frauen
Buntes Spielzeug fromm geschmückt,

Tausend Kindlein stehn und schauen,
Sind so wunderstill beglückt.


Und ich wandre aus den Mauern

Bis hinaus ins freie Feld,
Hehres Glänzen, heil’ges Schauern!
Wie so weit und still die Welt!



Sterne hoch die Kreise schlingen,

Aus des Schnees Einsamkeit
Steigt’s wie wunderbares Singen –
O du gnadenreiche Zeit!
   Joseph von Eichendorff 

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