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Ich rieche was, was du nicht kennst.
Wie lassen sich Düfte beschreiben? Nun, in unseren Breiten behelfen wir uns mit Metaphern: „Das riecht nach …“, sagen wir. Oder „das riecht wie …“
Nirgendwo sonst treibt die Duft-Prosa exotischere Blüten als auf der Parfum-Bewertungsplattform „Parfumo“ (www.parfumo.de). Kostprobe gefällig? „Nichts an diesem Duft erobert stürmisch, nichts hier ist voll Wildheit oder Leidenschaft. La Pluie ist ein hintergründiger Duft, gebaut auf einem Fundament aus seltsam ‚unblühenden‘ Blumen – graugrün und etwas trübe – wie ein lauer Juniregen, der einen ganzen Nachmittag lang lautlos niedergeht. Er hat in dieser Stille etwas Sanftes, etwas beinahe Musikalisches – wie ein Soldat, der lieber Gedichte schreibt als Krieg zu führen.“
Das mag poetisch klingen, präzise ist es jedenfalls nicht. Wie ein Soldat riecht, der lieber Gedichte schreibt als das Gewehr zu schultern, bleibt dem geneigten Leser leider verborgen. Das hat vor allem damit zu tun, dass unsere Sprache keine konkreten Ausdrücke für olfaktorische Eindrücke im Repertoire hat. In den meisten Sprachen der westlichen Welt lehnen sich Ausdrücke für Düfte an Objekte an, die diesen Geruch besitzen – etwas riecht beispielsweise nach Rosen, zitronig oder moschusartig. Für Sehen und Hören ist das hingegen nicht der Fall: Beispielsweise beziehen sich Begriffe wie rot oder grün sowie schrill oder knarzend nicht auf konkrete Gegenstände.
Niederländische Sprachforscher haben nun erstmals dokumentiert, dass menschliche Sprache sehr wohl in der Lage ist, eine Vielfalt an Gerüchen auszudrücken: Über eine buchstäblich „dufte Sprache“ verfügen etwa die Maniq, ein Volk von Jägern und Sammlern im Süden Thailands. Sie sind in der Lage, Gerüche mit mindestens 15 verschiedenen abstrakten Ausdrücken zu beschreiben und kategorisieren sie nach Wohlgeruch und Gefährlichkeit. So besitzen die Maniq einen Ausdruck für den Geruch der Sonne, der aber gleichzeitig auch Luft oder Rauch bezeichnen kann. Das Wort für den Geruch eines alten Unterstandes steht wiederum auch für den Geruch von Pilzen, der Haut eines toten Tieres oder dem Trinken aus einem Bambusrohr.
Viele Forscher halten übrigens die Bedeutung des Geruchssinns für enorm unterbewertet. Die Bedeutung dieses Sinnes haben bereits einige Studien belegt. Menschen, die ihren Geruchssinn verloren haben – unter der sogenannten Anosmie leiden – werden ihres Lebens demnach kaum mehr froh: Eine Welt ohne Duft und Geruch entpuppt sich als erstaunlich reizlos und kann zu Depressionen führen.
Frauen haben im Übrigen die feinere Nase. Das hat weniger mit der Größe des Riechkolbens zu tun als mit dem Hirnareal, das für die Verarbeitung olfaktorischer Reize zuständig ist. Tatsächlich ist die Zelldichte weiblicher Duft-Neuronen fast doppelt so hoch wie die des männlichen Pendants. Einfach dufte!